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Stottern ist eine Störung des Redeflusses. Sprechen ist eine sehr komplexe Fähigkeit, an der über 100 Muskeln beteiligt sind. Deren Zusammenspiel muss optimal über verschiedene Regelsysteme aufeinander abgestimmt sein und ist hoch automatisiert. Es verwundert also nicht, dass dieser Vorgang relativ störanfällig ist. Daher erlebt jeder hin und wieder Unflüssigkeiten beim Sprechen.

Echtes Stottern unterscheidet sich jedoch deutlich durch die Häufigkeit und die Ausprägung von diesen normalen Sprechunflüssigkeiten. Die Kernsymptome des Stotterns zeigen sich als Blockaden vor oder in einem Wort, Lautdehnungen und/oder Laut-  und Silbenwiederholungen. Dabei müssen mindestens 3 % der Silben stottertypische Unflüssigkeiten aufweisen (Abrose und Yairi, 1999).

Die höchst individuelle Ausprägung des Stotterns bei den einzelnen Betroffenen rührt aus den sehr unterschiedlichen, meist unbewussten, Reaktionen auf diese Unterbrechungen. Es entwickeln sich Begleitsymptome, die den Versuch darstellen, die Störung in der Sprechmotorik zu bewältigen. Einige versuchen, die Unflüssigkeiten durch mehr Kraftaufwand zu überwinden. Dies hilft vielleicht auch zunächst, führt aber auf Dauer zu einer Verstärkung der Sprechblockaden. Häufig werden auch Mitbewegungen des Kopfes oder von anderen Körperbereichen wie Arme oder Beine eingesetzt, um aus einer Sprechblockade herauszukommen.

Die Erfahrungen des Kontrollverlustes beim Sprechen und die Reaktionen von irritierten oder verunsicherten Zuhörern lösen meist mehr oder weniger starke Sprechängste aus. Das Vermeiden von Blickkontakt, von bestimmten Wörtern und Sprechsituationen gehört ebenfalls zu den Begleitsymptomen des Stotterns. Die Begleitsymptome können die Kernsymptome stark überlagern. Es gibt auch stotternde Menschen, die so geschickt Stottern vermeiden, z. B. durch Einschübe von Floskeln oder Austausch von Wörtern, dass sie zunächst wie flüssige Sprecher erscheinen.

Der Beginn des Stotterns liegt zumeist im Alter von zwei bis fünf Jahren. Also in einer Zeit, in der viele Reifungsprozesse des Kindes noch in Entwicklung sind. Dies betrifft ca. 5 % der Kinder. Bei 60-80 % bilden sich die Symptome auch ohne Therapie wieder zurück. Von einem chronischen Stottern spricht man, wenn die Stottersymptome länger als sechs Monate anhalten. Diese Kinder sollten eine Therapie erhalten, um zu vermeiden, dass sich sozial auffällige und für das Kind und die Eltern sehr belastende Begleitsymptome entwickeln.

Man hat festgestellt, dass sich stotternde Kinder nicht in ihrer Persönlichkeit von flüssig sprechenden Kindern unterscheiden. Auch das Erziehungsverhalten der Eltern nicht stotternder und stotternder Kinder weist keine Unterschiede auf. Stotternde Kinder haben aber offensichtlich eine erhöhte Veranlagung (Disposition) zum Stottern. Oft gibt es mehrere stotternde Personen in einer Familie. Zudem entwickeln Jungen im Verhältnis von ca. 4:1 häufiger ein chronisches Stottern, als Mädchen. Dies lässt auf den Einfluss von genetischen Faktoren schließen. Aber auch Unregelmäßigkeiten bei Reifungsprozessen (z. B. Wahrnehmungsentwicklung) haben einen Einfluss auf die Störanfälligkeit der Sprechabläufe. Daneben gibt es eine Vielzahl von psychosozialen und körperlichen Faktoren, die die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Stottern beeinflussen.