Von einer Aussprachestörung (phonetisch-phonologische Störung) spricht man, wenn Kinder (Erwachsene siehe dort) bestimmte Laute nicht altersgemäß bilden können. Es kann zum Lautersatz kommen (z.B. „Grache" anstatt „Drache"), zu Lautauslassungen (z.B. „Scheemann“, statt „Schneemann“) oder zu leichten Abweichungen bei der Lautbildung wie beim zwischen den Zähnen gesprochenen /s/-Laut beim Lispeln (Sigmatismus). Dabei kann ein einzelner Laut, oder sehr viele Laute betroffen sein. Werden sehr viele Laute falsch gebildet, ist die Spontansprache oft sehr schwer verständlich.
Lautersetzungen oder Lautauslassungen bei Konsonantenverbindungen sind bis zu einem gewissen Alter normal. Die Lautentwicklung unterliegt bestimmten Gesetzmäßigkeiten und die ersten Äußerungen entsprechen noch nicht der späteren korrekten Aussprache. Erst mit ca. 5 Jahren ist diese abgeschlossen. Dann sollte ihr Kind alle Laute korrekt bilden und nicht mehr „Sule“ statt „Schule“ oder „Schraße“ statt „Schtraße“ (Straße) sagen. Eine Ausnahme bildet der Laut /s/. Dieser wird auch mit knapp 6 Jahren noch von ca. 40 % der Kinder meist zwischen den Zähnen gebildet (Lispeln) und kann auch noch sehr gut nach dem Wechsel der Frontzähne therapiert werden.
Eine besondere Form der Aussprachestörung ist die verbale Entwicklungsdyspraxie (VED). Hierbei haben die betroffenen Kinder Probleme beim Erlernen und sicheren Abspeichern von Bewegungsabfolgen beim Sprechen. Je nach Schwere der Störung ist ein Kind aufgrund sehr unregelmäßiger Aussprachefehler dann sehr schwer verständlich bis unverständlich. Eine frühe gezielte Therapie mit speziellen Therapieprogrammen ist dann angezeigt.
Falls Sie unsicher sind, ob die Lautfehler Ihres Kindes noch altersgemäß sind, sollten Sie mit Ihrem Kinderarzt sprechen.
Zunächst wird ein Lautbefund erhoben. Das bedeutet, es wird überprüft, welche Laute nicht altersgemäß gebildet werden können oder ersetzt werden und welche Gesetzmäßigkeiten dabei festzustellen sind. Daraus ergibt sich das Vorgehen in der Therapie.
Bei Kindern, denen der zu erarbeitende Laut aufgrund der zu erlernenden Bewegungsausführung und Muskelspannung ihrer Sprechwerkzeuge (Lippen, Zunge) Schwierigkeiten bereitet (phonetische Störung), wird der Laut zunächst isoliert angebahnt und dann schrittweise auf Silben-, Wort-, Satzebene bis hin zur Spontansprache spielerisch erarbeitet. Mundmotorische Übungen sowie Lautwahrnehmungsübungen begleiten die Therapie. Diese klassische Artikulationstherapie kommt vor allem bei der Therapie des Lispelns (Sigmatismus) zum Einsatz. Aber auch bei anderen Lauten ist es möglich, dass Ihr Kind die Bewegungsausführung eines Lautes erst erlernen muss.
Wenn Ihr Kind jedoch einen Laut oder mehrere noch nicht in seinem Lautinventar aufgenommen hat, diesen aber durchaus isoliert nachsprechen kann (phonologische Störung), arbeite ich in Anlehnung an das Konzept P.O.P.T. von A. Fox. Dann stehen zunächst Hörwahrnehmungsübungen im Vordergrund. Der zu erlernende Laut wird zu dem Ersatzlaut, den Ihr Kind bisher für beide Laute verwendet, in Kontrast gesetzt. Ihr Kind lernt dann, beide Laute sicher über das Hören zu unterscheiden. Erst dann wird auch die Aussprache geübt. Diesen Ansatz ergänze ich durch die so genannte Minimalpaartherapie. Minimalpaare sind jeweils zwei Wörter, die sich nur in einem Laut unterscheiden (oft Reimwörter wie Rose – Hose, aber auch Bach - Bad). Ihr Kind erkennt dabei, dass Laute unterschiedliche Eigenschaften haben und die Bedeutung eines Wortes verändern können. Die Wortpaare werden anhand der Lautschwierigkeiten Ihres Kindes spezifisch ausgewählt.
Hat Ihr Kind Probleme mit dem Abspeichern und Erlernen von Bewegungsfolgen (Koartikulation) beim Sprechen, kommen spezielle Therapieansätze zum Einsatz (z.B. KoArt Becker-Redding). Hierbei lernt ihr Kind ein verbales Bewegungsgedächtnis für Silben aufzubauen und dieses willkürlich abzurufen. Daraus können dann Wörter und Sätze aufgebaut werden.
Die einzelnen Therapieschritte können meist sehr gut durch spielerische häusliche Übungen unterstützt werden, wodurch die Therapiezeit erheblich verkürzt werden kann. Das Material dazu (z.B. Kopien) gebe ich am Ende der Therapiestunde mit. Sie erhalten von mir hierzu Anregungen für eine spielerische Umsetzung zu Hause.
Wenn Ihr Kind bestimmte Laute noch nicht bilden kann, sollten Sie seine Aussprache nicht direkt verbessern oder gar zum Nachsprechen auffordern. Damit würden Sie Ihr Kind überfordern und sein Selbstwertgefühl und seine Sprechfreude könnten leiden. Aber auch, wenn ein einzelnes Wort von Ihrem Kind richtig nachgesprochen werden kann, bedeutet das nicht, dass es dieses beim nächsten Mal richtig sprechen kann. Dies liegt daran, dass es eine weitaus höhere Leistung ist, ein Wort spontan und in einem Satz eingebettet zu äußern, als ein einzelnes Wort mit viel Aufmerksamkeit nachzusprechen. Zunächst sollten Sie daher lediglich die Äußerung Ihres Kindes mit der korrekten Aussprache und in das Gespräch eingebettet wiederholen (Korrektives Feedback).
Im Laufe einer logopädischen Therapie, wenn Ihr Kind einen bestimmten Laut bereits im Wort und in Sätzen eingebettet erlernt hat und nur noch die Anwendung beim spontanen Sprechen fehlt, können andere Möglichkeiten hinzugenommen werden. Zum Beispiel Alternativfragen: „Heißt das Sule oder Schule?“ Sicher wird Ihr Kind dann die richtige Antwort kennen und Sie können es über ein Lob positiv verstärken
Bei all diesen Maßnahmen kommt es auf die Art und Weise und die Häufigkeit der Korrektur an. Kinder zeigen schnell, wenn man das richtige Maß oder den Ton verfehlt hat.