Das Erlernen der Sprache ist ein sehr komplexer Vorgang und baut auf den verschiedenen Bereichen der Wahrnehmung, insbesondere der Hörwahrnehmung, und der Verarbeitung von Sinneseindrücken auf. Daher ist die Sprachentwicklung auch immer im Zusammenhang mit anderen Entwicklungsbereichen des Kindes zu betrachten. Treten hier Störungen auf, z.B. organisch bedingte, wie eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder eine schwere sozialemotionale Störung z.B. Autismus, zieht dies häufig eine Verzögerung oder Störung der Sprachentwicklung nach sich.
Häufig sind Kinder, die eine nicht altersgemäße Sprache aufweisen, in anderen Entwicklungsbereichen, etwa in der Bewegungsentwicklung, altersgemäß entwickelt. In der Fachsprache spricht man dann von einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES). Dies bedeutet, dass die Aufnahme und Verarbeitung von Sprache isoliert gestört ist, ohne dass andere Entwicklungsbereiche ebenfalls verzögert sind.
Von einer Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) spricht man, wenn ein Kind in seiner Sprachentwicklung mindestens sechs Monate gegenüber gleichaltrigen Kindern zurückliegt. Es durchläuft die Sprachentwicklungsschritte dabei nur langsamer als andere Kinder. Bei einer Sprachentwicklungsstörung (SES) treten meistens auch abweichende Lernschritte auf, die in der normalen Sprachentwicklung nicht vorkommen. In der Grammatikentwicklung könnte dies zum Beispiel sein, dass ein Kind das flektierte Verb nach seinem dritten Geburtstag am Ende eines Satzes belässt. Dieses Kind würde dann zum Beispiel sagen: „Mama Auto fährt“.
Die Begriffe Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) und Sprachentwicklungsstörung (SES oder SSES) werden häufig synonym verwendet. Der Begriff Sprachentwicklungsstörung (SES) hat sich jedoch als übergeordneter ärztlicher und logopädischer Diagnosebegriff durchgesetzt. Er sagt nichts über den Schweregrad der Sprachschwierigkeiten aus.
Sprachentwicklungsschwierigkeiten treten unabhängig vom sozialen Umfeld des Kindes auf. Das lässt sich unter anderem dadurch belegen, dass Geschwisterkinder häufig eine unauffällige Sprachentwicklung haben. Eine familiäre Häufung von Sprachauffälligkeiten kommt jedoch auch vor, was auf eine erbliche Komponente schließen lässt. Die Ursache einer Sprachentwicklungsstörung liegt somit in der Regel nicht im Verhalten der Eltern. Jedoch gibt es verschiedene soziale Einflussfaktoren, die sich auf die Sprachentwicklung eines Kindes günstig oder auch ungünstig auswirken. Eine gute Beratung kann helfen, Unsicherheiten im Umgang mit den Sprachschwierigkeiten des Kindes aus dem Weg zu räumen und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Sprachentwicklung zu verbessern. Daher bilden für mich die Gespräche mit den Eltern einen wesentlichen Bestandteil der Therapie.