Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben in den ersten Lebensjahren ihre Muttersprache, manchmal aber auch schon zwei Sprachen in der Familie erworben. Die deutsche Sprache erlernen sie dann vor allem im Kindergarten. Je früher sie in den Kindergarten kommen, umso größer ist die Chance, dass sie die deutsche Sprache ebenfalls noch wie eine Muttersprache lernen können. Ab einem Alter von vier Jahren schließen sich jedoch entsprechende Entwicklungsfenster und die Art des Sprachenlernens verändert sich aufgrund von Hirnreifungsprozessen.
Es sind ca. 1,5 Jahre deutschsprachiger Input notwendig, damit ein Kind die Grundstrukturen der deutschen Grammatik im Kindergarten erlernen kann. Natürlich ist es dann noch weit davon entfernt, einen Wortschatz wie einsprachig deutsch aufwachsende Kinder zu haben. Das ist ganz normal und kein Zeichen für eine Sprachentwicklungsstörung. Wenn Ihr Kind seine Muttersprache beherrscht und aufgrund eines zu geringen Kontaktes zur deutschen Sprache noch im Deutschen Schwierigkeiten hat, ist lediglich eine Sprachförderung, z.B. über den Kindergarten, und keine Therapie notwendig. Sollte ihr Kind jedoch bereits in der Muttersprache Schwierigkeiten haben, deutet dies auf eine echte Sprachentwicklungsstörung hin. Diese zeigt sich immer in allen Sprachen, die ein Kind erlernt. Häufig wird die Sprachentwicklungsstörung jedoch erst erkannt, oder ernst genommen, wenn sich die Probleme auch in der Zweitsprache Deutsch zeigen.
Falls Ihr Kind bereits in seiner nichtdeutschen Muttersprache Probleme in der Sprachentwicklung hat, sollten Sie auf jeden Fall Ihren Kinderarzt darauf ansprechen und sich beraten lassen.
Bei Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, ist es besonders wichtig genau zu erfassen, wie der Sprachentwicklungsstand in der Muttersprache ist und wie lange Ihr Kind bereits Kontakt zur deutschen Sprache hat. Die Muttersprache erfasse ich über eine ausführliche Befragung der Eltern. Die Ergebnisse aus der Diagnostik zur Erhebung des Sprachentwicklungsstandes in der deutschen Sprache setze ich immer in Beziehung zum Beginn des ersten intensiveren Kontaktes mit der deutschen Sprache. Meist ist dieser Zeitpunkt der Eintritt in den Kindergarten. Häufig nehme ich, das Einverständnis der Eltern vorausgesetzt, Kontakt mit dem Kindergarten auf. Dadurch kann ich mir ein besseres Bild machen, wie Ihr Kind in einer Gruppe spricht und welche Schwierigkeiten es hat, sich dort mitzuteilen.
Falls Ihr Kind in seiner Muttersprache keine altersgemäße Sprachentwicklung aufweist, ist eine logopädische Therapie notwendig, um die ins Stocken geratene Sprachentwicklung wieder in Gang zu bringen. Die Therapieschwerpunkte richten sich nach dem Sprachentwicklungsstand Ihres Kindes. Am besten wäre es, wenn die Sprachentwicklungsstörung Ihres Kindes in der Muttersprache therapiert werden könnte. Dies ist jedoch meistens nicht möglich, da es selten Logopädinnen gibt, die eine logopädische Therapie in der Erstsprache Ihres Kindes anbieten können. Ich selbst kann nur eine Therapie in Deutsch anbieten. Eine erfolgreiche Therapie in der einen Sprache, wirkt sich jedoch auch positiv auf die andere Sprache Ihres Kindes aus. Die logopädische Therapie mit Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, unterscheidet sich methodisch nicht wesentlich von der Therapie mit Kindern, die die deutsche Sprache als Muttersprache lernen und eine Sprachentwicklungsstörung zeigen.
Falls Sie mit Ihrer Familie in Deutschland bleiben und Ihr Kind auf einer deutschsprachigen Schule eingeschult wird, braucht es möglichst gute Deutschkenntnisse, um seine Lern- und Leistungsmöglichkeiten voll ausschöpfen zu können. Je früher Ihr Kind regelmäßig Deutsch von Menschen mit Deutsch als Muttersprache hört, umso eher besteht die Chance, dass es diese Sprache bis zur Einschulung ausreichend beherrscht. Dafür eignet sich am besten ein früher Kindergartenbesuch in einem deutschsprachigen Kindergarten. Vielleicht haben sie auch jemanden in Ihrem deutschsprachigen Bekannten- oder Freundeskreis, der regelmäßig mit Ihrem Kind spielen kann. Fernsehen ist jedoch kein geeignetes Mittel zum Deutsch lernen, da die Kinder sich mehr an den Bildern orientieren und nicht zum eigenen Sprechen angeregt werden.
Die Basis für die Zweitsprache bildet jedoch die Muttersprache. Wenn Sie Ihr Kind in seiner Muttersprache fördern, zum Beispiel über regelmäßiges Bilderbuch vorlesen, legen Sie einen guten Grundstein für den Erwerb der Zweitsprache. Falls Ihr eigenes Deutsch nahezu perfekt ist, und nur dann, könnten Sie auch in der Situation des Bilderbuch Anschauens auf die Deutsche Sprache wechseln.
Bitte lassen Sie sich jedoch nicht dazu drängen mit Ihrem Kind Deutsch zu sprechen, wenn Sie selbst die Grammatik und den Wortschatz nicht völlig beherrschen. Ihr Kind würde sich dann vieles falsch einprägen. Falls Ihr Kind bereits Schwierigkeiten in der Muttersprache hat, sprechen Sie den Kinderarzt darauf an, der gegebenenfalls eine logopädische Therapie verordnen kann.